Janika Hildebrandt ist Wirtschaftsfachwirtin und Kaufmännische Leitung bei Original Unverpackt in Berlin. Gegründet wurde der Laden 2014 mit dem Ziel: Verpackungsmüll einsparen und gleichzeitig Wertschätzung für Lebensmittel stärken. Im Interview erzählt uns Janika Hildebrandt, was verpackungsfreies Einkaufen mit Lebensmittelwertschätzung zu tun hat und was es bei der Lagerung von Unverpacktem zu beachten gibt.
Inwiefern hängen verpackungsfreies Einkaufen und Lebensmittelwertschätzung für Sie zusammen?
Beim Einkaufen in einem Unverpackt Laden können Kund:innen ganz individuell genau die Menge bestimmter Lebensmittel abfüllen, die sie benötigen. Bei uns gibt es keine Mindestabnahmemenge. Hier ist es also wesentlich einfacher, nach Lebenssituation einzukaufen. Hinzu kommt ein ganz entscheidender Unterschied im Vergleich mit konventionellen Läden: Im Original Unverpackt Laden sehen unsere Kund:innen die Ware direkt und riechen sie beim Öffnen oder Abfüllen aus den Verkaufsspendern sogar auch. Durch diese besondere Art des Einkaufens entsteht ein hohes Bewusstsein gegenüber den Lebensmitteln.
Welches sind weitere Vorteile des verpackungsfreien Einkaufs auch gerade für Ihre Kund:innen?
Wir kaufen unsere Produkte in sogenannten Großgebinden aus Papier oder Kunststoff ein und füllen sie in Verkaufsspender (Bins) um. Die Großgebinde geben uns die Möglichkeit, Produkte abhängig von der Nachfrage für unsere Kund:innen anzubieten. Damit verringern wir die Gefahr des Verderbs um ein Vielfaches. Hochpreisige Lebensmittel wie Nüsse bieten wir immer in kleineren Verkaufsspendern an und können so deren Qualität viel länger beibehalten. Die Lebensmittel werden täglich durch unser Verkaufsteam gesichtet und geprüft. Wir können auf spezielle Wünsche eingehen und kommen täglich in den Austausch. Auch der Ablauf des Einkaufs ist anders: Es wird nicht einfach spontan in das Regal gegriffen und in den Korb gelegt. In diesem Falle müsste nämlich ein neues Gefäß erworben werden. Wer regelmäßig zu uns kommt, macht sich bereits zuhause Gedanken und plant genau, was eingekauft werden soll. Im Geschäft angekommen, muss dann die Ware selber abgefüllt und das Behältnis selbst transportiert werden. Man kann also sagen, dass die Planung des Einkaufs und die Auseinandersetzung mit den Lebensmitteln am Ende eine viel bewusstere ist als in konventionellen Supermärkten.
Und Nachteile?
Ein größerer Nachteil ist, dass eine Umstellung auf diese bewusste Art des Einkaufens Zeit und auch Geduld erfordert. Unsere Kund:innen müssen sich erst einmal eine gewisse Grundausstattung an Gläsern und Behältnissen anschaffen. Das schreckt einige vielleicht zunächst ab.
Denken Sie, dass bei Ihnen gekaufte Lebensmittel seltener in der Tonne landen als jene aus dem Supermarkt?
Das denke ich auf jeden Fall. Und bevor bei uns doch mal etwas in der Tonne landen sollte, prüfen wir vorab, inwiefern die Lebensmittel noch für Foodsharing-Plattformen oder die Tafel geeignet sind. Nur was nach unserer strengen Einschätzung nicht mehr genießbar ist, landet in der Tonne.
Welche Tipps haben Sie zur optimalen Lagerung und Haltbarkeit verpackungsfreier Lebensmittel?
Verschiedene Teesorten verlieren beispielsweise ihr Aroma. Es empfiehlt sich also, wirklich nur das zu kaufen, was man auch zeitnah aufbrauchen kann. Die optimale Lagerung und Langlebigkeit eines Lebensmittels stehen dann immer in Verbindung mit dem Behältnis. Dieses ist nach jeder Leerung zu reinigen. Vor allem, wenn beim nächsten Mal ein anderes Produkt eingefüllt werden soll. Haferflocken und Mehlsorten sind sehr anfällig für Lebensmittelmotten, weswegen sie unbedingt in fest verschlossenen Behältnissen gelagert werden sollten.
Milch und Milchalternativen bieten wir direkt in Glasflaschen an, die so auch gut im Kühlschrank lagern können. Essig und Öl lassen sich in mitgebrachten Flaschen abfüllen und können wie handelsübliche Produkte in diesen Flaschen bei Zimmertemperatur lagern.
Für den Einstieg ins unverpackte Einkaufen empfehle ich Nudeln und Reis, da sie zu den Grundnahrungsmitteln zählen und in der Lagerung zuhause sehr unkompliziert sind.
Beim Einkauf ist weiterhin wichtig, das Volumen der Produkte zu beachten: Der Großteil unserer Kund:innen kauft mit Transportbeuteln oder leichten Dosen ein und füllt die Lebensmittel zuhause in Lagerungsgefäße, meist Gläser, um. Hier kann es passieren, dass die Transportbeutel mehr Volumen fassen als die Gläser, weswegen noch zusätzlicher Lagerplatz für die restliche Ware gefunden werden muss.
Wie gehen Sie mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) um?
Das MHD übernehmen wir von unseren Herstellern und Lieferanten. Natürlich ist es bei vielen Produkten sehr streng gesetzt und nur selten mit dem tatsächlichen Ablaufdatum des Lebensmittels gleichzusetzen. Für unsere Kund:innen weisen wir auf den Etiketten neben dem MHD auch die Chargennummer, das Herstellerland und den Hersteller oder Lieferanten aus. In enger Zusammenarbeit mit unserer Bio-Zertifizierungsstelle prüfen wir die Bio-Zertifikate der verschiedenen Herstellerländer. Somit bieten wir allen, die bei Original Unverpackt einkaufen, transparente, nachvollziehbare und verlässliche Informationen zu unseren Produkten.
Gibt es verderbliche Lebensmittel, die Sie z.B. aufgrund von leichten Makeln nicht mehr verkaufen können? Was passiert mit diesen?
Wir führen verschiedene Milchprodukte und vegane Alternativen. Hier achten wir sehr auf das MHD und reduzieren wie in üblichen Bio-Supermärkten den Preis, wenn sich dieses nähert. Dass abgelaufene Milchprodukte vom Team aus dem Sortiment genommen, abgeschrieben und vernichtet werden, ist äußerst selten der Fall. Einen Überbestand von Frischmilch haben wir so gut wie nie.
Wie lautet Ihr persönlicher Lieblingstipp gegen Lebensmittelverschwendung im Alltag?
Die beiden besten Tipps gegen Lebensmittelverschwendung sind Planung und bewusstes Einkaufen. Und an diese beiden Aspekte werden unsere Kund:innen beim Einkauf im Unverpackt Laden durch den Einsatz von mitgebrachten Transportgefäßen sowie durch das entschleunigende Abwiegen und Abfüllen ja gewissermaßen herangeführt. Ist ein Einkauf im Unverpackt Laden nicht möglich, lassen sich das gesteigerte Bewusstsein und eine ausgiebige Planung auch problemlos auf das Einkaufen im Supermarkt übertragen. Zudem empfehle ich, möglichst nicht mit Hunger oder unter Stress einzukaufen, da dies oft zu Spontankäufen und dadurch mehr Lebensmitteln in der Tonne führen kann.