Die studierte Ernährungswissenschaftlerin Melanie Kirk-Mechtel war viele Jahre in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig. Heute arbeitet sie freiberuflich als Fachjournalistin und Online-Redakteurin. Ihr Schwerpunkt: Ernährung und Nachhaltigkeit. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie sich Menschen für Lebensmittelverschwendung sensibilisieren und zu mehr Wertschätzung für Lebensmittel motivieren lassen und auf was es in der Kommunikation zu diesen komplexen Themen ankommt.
Nach ihrem Studium der Ökotrophologie in Bonn entschied sich Kirk-Mechtel zunächst für einen Job in einer Agentur und sammelte dort Erfahrung in der Kommunikation von Ernährungsthemen. Seit 2015 arbeitet sie freiberuflich. Sie schreibt, produziert und bloggt zu den Themen Ernährung, Nachhaltigkeit und Kommunikation und versorgt ihre Leserschaft regelmäßig mit neuen Rezepten. Lebensmittel und deren Wert sind ihr wichtig. Bei der Kommunikation rund um dieses Thema ist daher ihr Ziel, dass alle ihre Inhalte verstehen und sie dadurch möglichst viele Menschen erreicht.
Bewusstsein schaffen
„Lebensmittel haben einen Wert. Es ist wichtig, das auch zu zeigen“, so Kirk-Mechtel. Grundsätzlich sei das Bewusstsein für den Wert von Lebensmitteln in den letzten Jahren zwar gestiegen. Der Ernährungsreport 2020 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zeigt beispielsweise, dass inzwischen 91 Prozent der Verbraucher:innen das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht als Wegwerfdatum betrachten und prüfen, ob Lebensmittel noch genießbar sind. Informationen zu vielen anderen wichtigen Aspekten wie zum Beispiel regionaler Anbau oder Ressourcenschonung müssten aus ihrer Sicht jedoch noch breiter in die Bevölkerung getragen werden.
Fakten: einfach und niedrigschwellig
Die Herausforderung in der Kommunikation rund um die Themen Lebensmittelverschwendung und -wertschätzung sieht die Ernährungsexpertin darin, Fachwissen und komplexe Informationen dazu zu bündeln und für die Verbraucher:innen verständlich aufzubereiten. „Damit die Informationen ankommen, müssen sie zunächst heruntergebrochen und dann interessant, verständlich und niedrigschwellig präsentiert werden“, so Kirk-Mechtel. Dazu gehöre auch, sich immer wieder neu in die heterogene Zielgruppe hineinzuversetzen und sich bewusst zu machen: Viele haben von konkreten Themen oder so manchem nachhaltigen Ansatz wie beispielsweise der „Leaf to Root“-Methode, nach der man beim Gemüse auch die sonst entsorgten Strünke, Blätter oder Wurzeln verwertet – noch nie etwas gehört. Wird es zu kompliziert und fachlich, resignieren Leute schnell – so die Erfahrung von Kirk-Mechtel. Ihr Trick besteht darin, immer wieder die Perspektive zu wechseln, Themen „von außen“ zu betrachten und so Inhalte anders – beispielsweise kürzer oder aber mit mehr grundlegenden Informationen zu Lebensmitteln – aufzubauen. Denn: Erst einmal müsse der Bezug zu Nahrungsmitteln im Allgemeinen bestehen – zum Beispiel ein Grundverständnis über die Herkunft und den Anbau von Lebensmitteln – bevor es Anknüpfungspunkte für die Vermittlung eines bewussteren und nachhaltigeren Umgangs mit ihnen geben könne. „Es wäre von Vorteil, wenn unsere Gesellschaft Wissen rund um Ernährung und die Wertschätzung von Lebensmitteln noch stärker von klein auf vermittelt“, so Kirk-Mechtel.
Mit gutem Vorbild voran
Um Menschen für Lebensmittelwertschätzung zu sensibilisieren, braucht es vor allem eines: gute Vorbilder. „Anschauliche Beispiele aus dem Alltag zeigen, wie einfach Lebensmittelretten ist“, so Kirk-Mechtel. „Durch inspirierende Vorbilder sinkt die Hürde, sich selbst zu engagieren und mehr auf das eigene Konsum- und Wegwerfverhalten zu achten.“
Die sozialen Medien, allen voran Instagram, bieten eine ideale Plattform hierfür. Das Teilen von Tipps und Tricks aus dem Alltag – sei es durch Privatpersonen oder Initiativen – erfolgt niedrigschwellig und auf einer sehr persönlichen Ebene. Das können zum Beispiel sogenannte „Life-Hacks“, also besonders kreative Kniffe aus dem Alltag, oder einfache Reste-Rezepte zum Nachmachen sein. Kirk-Mechtel sieht hier viel Potenzial bei Influencer:innen: „Die machen etwas und andere finden das toll, folgen ihnen und machen das dann im besten Falle nach, wenn es vernünftig und authentisch ist. So erreicht man die Leute!“
Sie selbst freut sich immer, wenn Sie andere inspirieren und beispielsweise Freunde, Verwandte oder ihre Leser:innen auf tolle Initiativen aufmerksam machen kann, wie beispielsweise die App TooGoodToGo, über die zu viel produziertes Essen gerettet werden kann, oder auch die Marktschwärmer: Hier bestellen Kund:innen Lebensmittel nach Bedarf direkt bei den Landwirt:innen aus der Region, holen diese an den Markttagen ab und lernen dabei die Erzeuger:innen persönlich kennen. Es wird nur das geerntet, was auch verkauft wird – ein guter Ansatz zur Reduzierung von Lebensmittelabfall, findet Kirk-Mechtel.
Es kommt nicht auf Perfektion an
Auch kleine Schritte tragen zu Veränderungen bei. Eine wichtige Botschaft in der Kommunikation zu Lebensmittelwertschätzung lautet für Kirk-Mechtel deswegen: „Niemand ist perfekt.“ Trotz großer Achtsamkeit sind auch bei ihr schon Lebensmittel im Müll gelandet: „Das kann passieren, wenn man sich zum Beispiel beim Einkaufen überschätzt oder Pläne sich spontan ändern.“ Die Hauptsache ist laut Kirk-Mechtel, dass jede:r ein grundsätzliches Bewusstsein für den Wert von Lebensmitteln entwickelt und sich aus diesem Verständnis heraus darum bemüht, Lebensmittel vor der Tonne zu bewahren. Ein absolutes No-Go in der Kommunikation ist für Kirk-Mechtel der erhobene Zeigefinger, der Konsumverhalten in richtig und falsch einteilt. Solche Bewertungen und Maßregelungen schrecken viele Personen eher ab, als dass sie motivieren.
Hartnäckigkeit gewinnt
Laut Kirk-Mechtel müsse Lebensmittelverschwendung und -wertschätzung immer und immer wieder zum Thema gemacht werden, damit es dauerhaft die Aufmerksamkeit erlangt, die es für eine Veränderung braucht: in den Medien, in gesellschaftlichen Debatten und im eigenen Wirkungsumfeld, dem Freundes- und Familienkreis. Die wohl größte Herausforderung in der Kommunikation: Leichtigkeit bewahren und gleichzeitig den Ernst des Themas vermitteln: die Tatsache, dass jährlich zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel in Deutschland im Müll landen, wovon etwa die Hälfte auf Privathaushalte entfällt.
Kirk-Mechtel sieht die Verantwortung allerdings gesamtgesellschaftlich, auch in der Politik: Es ist wichtig, Initiativen nicht einschlafen zu lassen, sondern Stellen zu schaffen – beispielsweise in Kommunen Koordinierungsstellen oder Quartiersbüros – wo die Initiativen angedockt sind.